Preisträger*innen, Preisträger*innen 2018

November | Pauline Moser

Preisträgerin 2018 | 15 Jahre

Im flackernden Licht der alten Straßenlaterne huschte eine Maus über den schmalen Schotterweg, bevor sie auf der anderen Seite hinter einem Busch verschwand und man nur noch ein leises Rascheln vernehmen konnte bis es wieder ganz still war. Es war eine der kalten Nächte, wie sie es Ende November nicht unüblich waren.

Ein paar Schritte weiter, gerade so viele, dass das Licht der Laterne sie nicht erreichte, stand eine alte unscheinbare Holzbank, die auf den ersten Blick leer zu sein schien. Nichts in diesem kleinen Park deutete darauf hin, dass sich hier noch jemand anderes als die eine oder andere Maus aufhielt.

Dichte Nebelschwaden schwebten wie weiße Schleier zwischen den kahlen Bäumen, die ihre Blätter größtenteils schon abgeworfen hatten, umher und verliehen dem Ganzen eine düstere Atmosphäre.

Bis die Stille plötzlich unterbrochen wurde als jemand über den Schotterweg lief, direkt auf die flackernde Straßenlaterne zu. Auch ohne die Person zu sehen, konnte man hören, dass sie es sehr eilig hatte, denn die Schritte, die auf dem Kies knirschten, waren schnell und unregelmäßig. 

Es dauerte nicht lange und sie tauchte im schmalen Lichtkegel der Laterne auf bevor sie anhielt und man ein schweres Atmen vernehmen konnte.

Die Person war wohl auch der Annahme, dass sie hier in diesem Park unbeobachtet bleiben konnte, denn sie zog sich die Kapuze ihres dunklen Pull-overs vom Kopf, sodass eine feuerrote Mähne zumVorschein kam. Es handelte sich offensichtlich um eine weibliche Person und als sie sich die Haare das erste Mal zur Seite strich, bestätigte sich dies.

Sie musste wohl sehr schnell gerannt sein, denn ihr Atem wurde keineswegs regelmäßiger und zusätzlich stützte sie sich jetzt auch noch mit den Händen auf den Knien ab. Doch irgendwann beruhigte sie sich bis sie schließlich mit einer Hand in die Tasche des dunklen Kleidungsstücks griff und ein zusammengebundenes Päckchen Briefe herausfischte, das sie lange betrachtete.

Fast unmerklich verkrampfte die Frau ihre Finger um das Papier während eine einzelne Träne aus ihrem Augenwinkel hervortrat bevor sie mit dem nächsten Blinzeln über ihre Wange lief und im Kragen des Pullis verschwand.

Mit einer ruckartigen Bewegung, die nicht zu erwarten war, warf sie die Briefe auf den Boden um sich mit der anderen Hand erneut die Kapuze über die Haare zu ziehen. Plötzlich schien es, als wäre ein Schalter umgelegt worden, der sie wieder in ihre Hektik von vorhin verfallen lies und ehe man sich versah, hörte man ihre Schritte auf dem Kies knirschen als sie sich entfernte, bis erneute Stille einkehrte.

Der vermeintlich menschenleere Park wurde erneut der nächtlich düsteren Stimmung unterzogen, doch mit einer kleinen Veränderung. Auf der alten Holzbank bewegte sich etwas. Wohl eher jemand.

Mit geschmeidigen Bewegungen schlich eine große dunkle Gestalt von der Bank weg zu den Briefen, bevor sie sich bückte und die langen knochigen Finger, die unter dem Umhang hervorblitzten um das alte Papier schloss. Unauffällig zog sie die Hand zurück und lies die Briefe verschwinden während sie sich rückwärts von der Laterne wegbewegte.

Langsam ging die Gestalt den Schotterweg entlang, vorbei an der alten Bank, vorbei an den Büschen und vorbei an den nebelumgebenen Bäumen, immer weiter, bis sie erneut vollends von der Dunkelheit verschluckt wurde.

(Alter: 15 Jahre) 

Kategorie: Preisträger*innen, Preisträger*innen 2018

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